Mehr als "nur" ein Spielautomat

Wohler Anzeiger vom Dienstag 31. Dez. 2002 


Im Freiamt ist der einzige Flipperclub der Schweiz zuhause

Sie faszinieren seit Jahrzehnten und sorgten lange in vielen Lokalen für Abwechslung: die blinkenden und piepsenden Flipperkästen. In den letzten Jahren sind sie allerdings fast ganz aus der Öffentlichkeit verschwunden, doch viele Fans halten ihnen die Treue, gerade auch im Freiamt.

"Text von Chregi Hansen"

Früher standen die verschiedenen Modelle in vielen Restaurants und übten vor allem auf jüngere Menschen eine schon fast magische Anziehungskraft aus. Das Duell Mensch gegen Maschine, der Beweis der eigenen Geschicklichkeit und die Aussicht auf Freispiele und Siege gegen die Freunde sorgten für einen grossen Wiederspielreiz. Dazu standen Flipperkästen für den "American Way of Life", gerade männliche Jugendliche fanden beim Flippern eine faszinierende Abwechslung vom Alltag, fast schon ein bisschen Freiheit.

Was ungefähr Ende der 20er Jahre als einfache Kugelbahnen begann, anfangs der 40er Jahre zu seiner jetzige Form weiterentwickelt wurde und in den 70ern und 80ern seine grösste Beliebtheit erlebte, verschwand in den 90er Jahren mehr und mehr von der Bildfläche. Videospiele und vor allem Geldspielautomaten verdrängten die Flipperkästen aus den Spielsalons und den Lokalen. Kein Wunder: Ein geschickter Flipperspieler konnte mit einem einzelnen Franken den gewonnen Freispielen sei dank oft stundenlang spielen, während die Geldspielautomaten den Benutzer das Geld fast im Sekundentakt aus den Tasche ziehen.

Eigene Szene entstanden

Während die Flipperkästen langsam aus den öffentlichen Räumen verschwanden, mutierten sie immer mehr zu Sammelobjekten. Manch einer hat heute privat ein Modell zuhause stehen, andere haben gleich ganze Sammlungen. Rund um den Flipper ist eine ganze Szene entstanden, die alte Kästen aufkauft, revidiert, verkauft, tauscht, Infos weiterleitet und sich mit Ersatzteilen aushilft und so den Mythos Flipper am Leben erhält. Auch im Freiamt gibt es einige dieser Angefressenen, sie haben sich im Flipperclub Sins - dem einzigen Verein dieser Art in der Schweiz - zusammengetan.

Dabei ist der Club nur durch Zufall entstanden. "Ein Kollege von uns hatte ein Angebot, sechs, sieben alte Flipperkästen en bloc zu kaufen", erzählt Roland Wey, Vizepräsident des Vereins. "Da er diese allein nicht bezahlen konnte, hat er uns als Sponsoren angefragt." Die Ernüchterung kam aber schon bald. "Die Flipper waren defekt, wir haben lange gebraucht, sie wieder zum Laufen zu bringen." Durch diesen Ereignis entstand eine lose Vereinigung, die später auch einen Raum fand, um die Geräte aufzustellen. In einer Scheune des Sinser Landwirten Jakob Sidler fanden die Freunde ein erstes Zuhause. 1996 gründeten die Flipperfreaks dann offiziell einen Verein, 1999 wurde der Clubraum in vielen Stunden Fronarbeit umgebaut. "Wir haben praktisch einen Raum um die Flipper herum gebaut", erklärt Sidler. Seither wird auch jedes Jahr ein grosses Flipperfest organisiert, welches viele Freunde und Kollegen anzog.

Gezielte Suche nach den besten Flipperkästen

Doch die Freude währte nur kurz. Zwei Jahre später wurde das Clublokal aus feuerpolizeilichen Gründen geschlossen; heute werden die Geräte in einem Lagerraum in Muri aufbewahrt, wo sie auch getestet werden können. Denn die Begeisterung für die Flipper hat durch die Schliessung des Vereinslokals nicht gelitten. Noch immer halten die Mitglieder Ausschau nach neuen Kästen und trennen sich immer mal wieder von alten, dies vor allem aus Platzgründen. "Zuerst haben wir gekauft, was wir bekommen konnten, inzwischen suchen wir gezielt nach bestimmten Modellen", berichtet Wey. Inzwischen besitzt der Verein, und darauf ist Präsident Bruno Wild stolz, 22 Flipper, darunter zwölf der hundert weltweit beliebtesten Geräte. Wobei "besitzen" der falsche Ausdruck ist. Alle Flipperkästen gehören einzelnen Mitgliedern, der Verein stellt die Infrastruktur zur Verfügung und kümmert sich um Wartung und Reparaturen. "Wir erwarten von unseren Mitgliedern, dass sie selber einen Flipperkasten haben, meistens bleibt es nicht bei einem", so die drei Flipperfreaks. Alle drei Wild, Wey und Sidler gehen mit gutem Beispiel voran und haben mehrer eigene Kästen im Lagerraum stehen und dazu erst noch ein paar weitere zuhause.

Oft wochenlanges Pröbeln nötig, um einen Defekt aufzuspüren

Es ist die Freude an der Technik, die Faszination für Mechanik und Elektronik sowie die Begeisterung für die Vielfalt der Modelle, welche es den dreien angetan hat; das Spielen ist da fast zweitrangig, auch wenn es natürlich vereinsintern schon Turniere gibt. "Ganz ehrlich, ich habe noch nie an einem fremden Ort geflippert", meint etwa Sidler. "Wir haben uns alles Fachwissen selber angeeignet", erzählt Wey weiter. War es früher schwierig, an Informationen zu kommen, läuft es heute dank Internet viel besser. "Ein Problem sind hingegen die Ersatzteile, die sind zum Teil nur noch schwer zu bekommen", erklärt Wild.

Das aber ist ein heikler Punkt, denn die Apparate erweisen sich als sehr anfällig, die Suche nach der Ursache eines Defekts nimmt oft Wochen oder gar Monate in Anspruch. "Manchmal hast du Glück, manchmal eben Pech", meint der Präsident dazu lapidar. "Man muss ein Tüftler sein und nie aufgeben", beschreibt Sidler den typischen Flipperfreak. Da helfen oft die guten Kontakte unter den Fans. "In der Schweiz kennen wir wahrscheinlich alle Flipperfans", so die übereinstimmende Meinung aller drei Clubexponenten.

Neue Mitglieder jederzeit willkommen

Neue Geräte werden kaum mehr hergestellt, auch wenn beispielsweise ehemalige Mitarbeiter des früheren Branchenriesen Williams jetzt beginnen wollen, alte Modelle nachzubauen. Doch die Faszination für dieses besondere Spielvergnügen wird sicher auch weiterhin anhalten. Dafür sorgen auch Vereinigungen wie der Flipperclub Sins. Neun Mitglieder zählt der Verein derzeit, neue Flipperfans sind jederzeit willkommen. Einmal im Monat öffnet der Club zudem die Pforten des Lagerraums und lädt zum Testen der vielen Geräte ein. Genauere Infos dazu gibt es im Internet unter www.flipperclub.ch E-Mail: info@flipperclub.ch


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